theHacker's Blog
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Thunderbird 115 "Supernova" downgraden

Gestern wollte ich im Thunderbird einen neuen Termin einstellen. Statt dem "Neuer Termin"-Fenster hatte ich allerdings einen XML-Fehler im Dialog. WTF!? 😮

Nach einem Neustart von Thunderbird hatte sich meine Vermutung dann bestätigt: Thunderbird hat sich selbstständig auf die beschissene Version 115 (Codename "Supernova") aktualisiert.

Ich glaub, schon vor einem Jahr war auf heise.de die Nachricht draußen, dass an Thunderbird wieder entwickelt wird. Das ist grundsätzlich ja toll, allerdings hat man damals schon die Richtung gesehen: Nämlich rückwärts! 😞

Was soll das Thunderbird?!

(Wenn du den Flame überspringen und nur die Lösung lesen willst, scroll einfach zur nächsten Überschrift weiter) 😉

Die Screenshots damals haben gezeigt, dass Thunderbird denselben Käse macht wie M$ Outlook: Bewährtes UI komplett umkrempeln und massig Abstände und Leerräume einbauen.

Ich frag mich manchmal echt, was sich die Schlipsträger heutzutage so denken. Nein, mir kann keiner erzählen, dass diese Ideen von Entwicklern oder Anwendern kommen. Das ist die Handschrift der Marketing-Abteilung und irgendwelcher Chefs, die einen auf "modern" machen wollen.

Software auf "modern" machen, d. h. auf deutsch: unhandlich, unproduktiv, kontraintuitiv. Und alle meinen, sich gegenseitig abkopieren zu müssen.

Worum gehts? Vergleichen wir doch mal die Optik beider Versionen. (Man möge verzeihen, dass die Bilder voller Verpixelungen sind, aber man kann das Problem dennoch astrein erkennen 😇)

Der "Supernova"-Thunderbird verschwendet Platz ohne Ende. Überall sind Abstände eingefügt werden. Legt man beide Bilder passend übereinander, erkennt man das viel besser und kann es sogar quantifizierbar machen.

Der neue Thunderbird zeigt 19% weniger Ordner und 39% weniger eMails. Das ist fast die Hälfte!! 🤬

Glaube keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast. Ihr dürft gerne selber nachzählen. Ich habe eine Auflösung von 1920x1080, auf der das Thunderbird-Fenster im Vollbild offen ist. Bei anderen Auflösungen oder Systemschriftarten/-graden kommen natürlich andere Werte raus. Ich hab auch nur ganz sichtbare Zeilen gezählt. Bei der eMail-Liste hatte der neue Thunderbird keine Vorschau offen (ich geh mal zu seinen Gunsten davon aus, dass man das hätte einschalten können), ich hab entsprechend so gezählt, als wäre die Vorschau an derselben Stelle offen wie im alten Thunderbird.

Bei der Kalender/Termin-Spalte ist der Vergleich etwas schwieriger. In diesem Monat habe ich nur zwei Termine. Da prozentual zu rechnen, würde nicht viel Sinn machen. Wir sehen aber dennoch, dass allein der fixe Kalender allein schon beträchtlich mehr Platz frisst. Gesamt sind das in diesem Fall 136 Pixel Verlust. (Fang ich jetzt mit Prozent an, würd ich sagen "13% in der Vertikalen an Platz verballert!")

Und auch das UI ist absolut beschissen! 💩

Die Toolbar befindet sich über der Menüleiste. Wie ich versucht habe, ob man die neue Optik in den Einstellungen abstellen kann und das Menü geöffnet hab, das war ja dermaßen merkwürdig, als die Menüleiste gefühlt vertikal in der Bildschirmmitte aufgegangen ist. 🤮

Die Toolbar hat links einen merkwürdigen Placeholder von 58 Pixeln. Keine Ahnung, was das soll. Vielleicht eine missglückte Zentrierung, weil die Suchleiste genauso merkwürdig aussieht. Die gewohnte Fensterdekoration und ihre Elemente wurde auch verändert und mit Leerräumen gefüllt. Ich verstehe ja, dass technisch moderne Anwendungen den Fenstertitel selber rendern wollen, um zusätzliche Funktionen da reinzustecken und damit Platz zu sparen. Hier wurde genau das Gegenteil gemacht.

Vielleicht füg ich hierzu später auch noch Detailbilder hinzu. Jetzt kommen wir aber erstmal dazu, wie man den Käse wieder rückgängig macht.

Wie löst man das Problem?

Thunderbird 102 downloaden

Ein Hoch auf Open-Source! Die alte Thunderbird-Version findet man auf dem FTP-Server von Mozilla: https://ftp.mozilla.org/pub/thunderbird/releases/

In der Verzeichnisstruktur des FTP folgt ihr der Version, eurem Betriebssystem und eurer Sprache. Bei Linux ist man es gewohnt, die Sprachdateien als separates Paket zu installieren. Hier ist die Sprache fix einkompiliert.

Ich link auch mal direkt auf die deutsche, Linux-64bit-Version für die "gute alte" Version 102.15.1, das war die letzte stabile Version der 102er-Linie, die uns so lang gute Dienste geleistet hat: thunderbird-102.15.1.tar.bz2

Prüfsummen:

MD5:     36ff9793a54ba470ac1b4c03d5b8b2c1
SHA1:    10b62897a5f384c3eb5c5de4980e2d3543f5db1d
SHA256:  c3e6db261769a851edf46bf191eeba40db65789c75aeb79fc5afd32cb9325e91
SHA512:  f3d5ce53b81a59a9722549d321d2bea34b71e6505eb3f1c40680c15b530377c1ecc27fed8f82824779a8558dfa95be4326541ed2fd08b2bfa13e2ac3b2cf4f0b

Thunderbird 115 durch 102 ersetzen

Deinstalliert den "Supernova"-Thunderbird:

sudo apt remove thunderbird

(Vorsicht: Nicht purge benutzen, da wir ja die Konfiguration behalten wollen)

Entpackt den Thunderbird in ein Verzeichnis eurer Wahl. Es bieten sich /usr/local oder /opt an.

Startet nun Thunderbird einmal kurz über die Konsole mit eurem Profil-Ordner und dem Switch --allow-downgrade:

/opt/thunderbird-102.15.1/thunderbird --profile /home/thehacker/Thunderbird-Profil --allow-downgrade

Ohne --allow-downgrade weigert sich Thunderbird sonst das Profil zu benutzen, da der "Supernova"-Thunderbird es als Version 115 markiert hat.

Überlegungen zum Profil-Downgrade:
Theoretisch hätte man das Profil niemals upgraden lassen sollen, weil ja unbekannt ist, was "Supernova" alles mit dem Profil anstellt. Praktisch war es mir zu riskant (und zeitaufwändig 😅), ein Backup einzuspielen. Ich habe keinerlei negative Effekte gespürt. Maximal sind nun im Profil irgendwelche zusätzlichen toten Einstellungen drin. Ich hatte im "Supernova" sogar einige Sachen geändert, da mir dieser u. a. alle Spalten in der eMail-Liste verstellt hatte (sichtbare Spalten und eingestellte Spaltenbreite). Nach dem Downgrade und mit der alten Version war aber trotzdem wieder alles so wie es vorher war.

Thunderbird startet das zuletzt gewählte Profil. Habt ihr – wie ich mit Rumprobieren – den 102er-Thunderbird direkt ohne Profilangabe gestartet, so habt ihr vermutlich ein zweites (leeres) Profil nun rumliegen. Mit dem Profil-Manager kann man das sehen und das ungewünschte Profil löschen:

/opt/thunderbird-102.15.1/thunderbird -P

Ich wiederhole hier die Warnung aus dem Screenshot nochmal:
Seid beim Löschen des Profils vorsichtig. Das Profil enthält alle Einstellungen und Addons, inklusive eurer eMails, Addressbuch, Kalender & Co. Mails, die nicht mehr auf einem Server zum Abholen liegen, gehen verloren! Also löscht wirklich nur das leere Profil, und nicht euer Profil mit allen Daten.

Starter einrichten

Für bequemes Starten per Nutzeroberfläche legt einen Starter an. Dazu erstellt die Datei ~/.local/share/applications/thunderbird-102.15.1.desktop mit folgendem Inhalt:

[Desktop Entry]
Version=1.0
Name=Thunderbird 102.15.1
Comment=alter Thunderbird vor "Supernova"
Exec=/opt/thunderbird-102.15.1/thunderbird
Icon=/opt/thunderbird-102.15.1/chrome/icons/default/default256.png
Type=Application
Terminal=false
Categories=Network;Email

(Pfade natürlich entsprechend eurem Installationsort anpassen)

Erneutes Upgrade unterbinden

Ganz wichtig! Nach diesen obigen Schritten dachte ich, alles wäre wieder ok. Als ich meinen Rechner am nächsten Tag, also heute, gestartet habe, hat sich der Thunderbird wieder automatisch aktualisiert. 😱🤬

Das ursprüngliche Upgrade gestern ist bei mir über unattended-upgrades reingekommen. Kann man prüfen, indem man die /var/log/apt/history.log überprüft:

Start-Date: 2023-10-04  09:03:57
Commandline: /usr/bin/unattended-upgrade
Upgrade: thunderbird:amd64 (1:102.15.1+build1-0ubuntu0.20.04.1, 1:115.3.1+build1-0ubuntu0.20.04.1), thunderbird-locale-de:amd64 (1:102.15.1+build1-0ubuntu0.20.04.1, 1:115.3.1+build1-0ubuntu0.20.04.1)
End-Date: 2023-10-04  09:04:03

Dieses Upgrade heute hat der Thunderbird aber von sich aus gemacht, obwohl in den Einstellungen "suchen, aber vor Installation nachfragen" eingestellt ist!! 😠

Wer unattended-upgrades deinstallieren möchte,

sudo dpkg-reconfigure unattended-upgrades

und dann "nein" wählen, danach komplett deinstallieren

sudo apt remove unattended-upgrades

Vermutlich reicht eins von beiden. Ich bin hier nur irgendeiner Anleitung im Netz gefolgt. Aber wie gesagt, das allein reicht nicht.

Unbedingt den Thunderbird-Ordner zu root zuweisen:

sudo chown -Rv root: /opt/thunderbird-102.15.1/

Da Thunderbird ja mit unserem normalen Nutzer läuft, der keine Root-Rechte hat, kann sich Thunderbird damit nicht mehr selber upgraden. Endlich. Fertig.

Happy end…?

Mir macht ein wenig Angst, dass trotz "suchen, aber vor Installation nachfragen" dennoch ein Upgrade durchgeführt wurde.

Vorhin habe ich Thunderbird gesehen, wie er mir das Upgrade empfohlen hatte. Der Text des Popovers klingt aber ein wenig stark nach "Hey, ich hab versucht ohne deine Zustimmung zu upgraden, bin aber gescheitert, weil ich keine Root-Rechte habe" 😨

Wenn die Dialog-Box jetzt ständig kommt, kann man vielleicht versuchen, die Upgrade-Server-URL zu ändern und auf einen Fake zu biegen, der meldet, dass alles up-to-date ist.

Daumen drücken… 🤞


An dieser Stelle mein üblicher Call-to-Action: Hat euch dieser Post geholfen, dann bitte gerne einen Kommentar dalassen. Ich interessiere mich aber auch über eure Meinung zur "Supernova"-Version und allgemein zum Thunderbird. Ich freue mich auf eure Kommentare. 😃

Kommentare zu diesem Artikel

  • Ich kann Ihrer Meinung nur zustimmen, wenn man richtig auf die Kacke hauen will, sollte man das Klo nicht verfehlen. Warum muss man immer alles verschlimmbessern. Neue Sicherheitsfunktionen hätte man sicher auch in die Vorgängerversionen einbauen können. Das ist ja gerade wie wenn man ein neues Auto baut und durch die Heckklappe einsteigen müsste. Ich habe mir die Version 112 runtergeladen, installiert und das alte Profil wieder eingebaut. Es hat funktioniert, dann habe ich durch einen Eintrag in der Registry künftige Updates unterbunden. Einziger Makel ist, dass beim starten von TB immer der Firefox startet, mit Hinweisen was die 115er Version so alles neues bietet. Das werde ich aber auch noch in den Griff bekommen. Mit freundlichen Grüßen HMC

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